…“Sexismus sollte einfach auch mal hingenommen und akzeptiert werden“…

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“, das ist wohl der meist gehörte Satz in den harten Zeiten der Lehre im Tischlerei-Handwerk. Dass auch in der modernen Neuzeit das Handwerk in altbackenen Strukturen festhängt, ist kein Geheimnis. Wir reden von starken Hierarchien, niedrigen Ausbildungsgehältern und harten langen Arbeitstagen.

Aber für die Menschen, die auch nach den Lehrjahren nicht in die „Herrenjahre“ kommen, weil sie nunmal FLINTA* Personen sind, ist die Realität in der Ausbildung noch mal eine Andere. Vom klassischen „sexy Werkstattkalender“ über seuxalisierte Sprache bis zum klaren Statement für eine Frauenfreie Werkstatt haben wir Einiges erlebt.

Um nicht zu weit auszuschweifen haben wir uns auf diese „worst-of’s“ geeinigt:

Unser Ausbilder hält nicht viel von Frauen* im Handwerk. Das teilt er uns zumindest direkt zu Beginn der Ausbildung mit. Es fallen Sätze wie: „Sexismus sollte einfach auch mal hingenommen und akzeptiert werden“. Er bezieht sich dabei auf bereits vorgefallene Situationen mit weiblich gelesenen Auszubildenden, die sein Verhalten kritisiert haben oder auch schon Beschwerden bei der Leitung des Ausbildungsinstituts eingereicht hatten. Weitere Aussagen direkt am ersten Tag waren auch, dass Frauen* nicht schwer heben können und seiner Meinung nach keine Dämpfe von Lacken einatmen sollten, da sie ja Kinder kriegen. Warum wir nicht direkt am ersten Tag uns umgedreht haben und wieder gegangen sind, haben wir uns in den darauffolgenden Monaten immer mal wieder gefragt…

Durch eine negative Ersteinschätzung des Ausbilders folgte eine ähnliche Selbsteinschätzung, die das Arbeiten gerade zu Beginn extrem erschwert hat. Immer wieder waren wir mit dem Verhalten des Ausbilders konfrontiert, der einen gezielt auflaufen ließ, einen runter gespielt hat oder auch beleidigende Aussagen fielen. Dieses Verhalten bezog sich nicht nur auf weiblich gelesene Personen, sondern auf die neu Angefangenen im allgemeinen.

Auch im Frontal-Theorieunterricht haben wir schon einiges erlebt. Besonders hängen geblieben ist folgende Aussage: „Zwei Dinge, die ich gerne in meinem Leben noch Mal erleben würde ist, dass X mit ihrem Werkstück fertig wird und noch Mal mit einer 20 Jährigen schlafen.“ Dieser Satz fiel mit dem Wissen, dass zwei weiblich gelesene Personen noch in ihren Zwanzigern sich im Raum befanden.

Einmal gab es eine Klarstellung des Ausbilders darüber, dass Fehlzeiten wegen der Menstruation als „Ausrede“ nicht von ihm toleriert werden. Er hatte sich tatsächlich mal überlegt, einen Kalender anzulegen um spezifisch nachvollziehen zu können ob PMS der Grund für das Fehlen (entschuldigtes Fehlen mit Krankschreibung) von Frauen* sein könnte. Wie sich PMS äußern kann, wüsste er auch am Besten weil er verheiratet war. 

Beim Melden von Vorfällen bei der Schulleitung wurde die Beschwerde mit Handgeste abgetan, mit der Aussage: „Wir wissen doch, dass Herr X sich manchmal nicht so intelligent ausdrückt“.

Eine andere unangenehme Situation fand mit einem weiteren Ausbilder statt. Bereits zu Beginn wurde von einer von uns, sehr langes, sehr unangenehmes Anstarren von einem Ausbilder wahrgenommen und das Bedürfnis sich abgrenzen zu müssen. Aus Selbstschutz hat diejenige auf eine auszubildende Ansprechperson verzichtet und musste teilweise den Raum verlassen, um Annäherungsversuche zu unterbinden.

Auch während der Maschinenlehrgänge, haben wir diskriminierende Erfahrungen gemacht. Z.B. hat der Ausbilder für den Maschinenschein die männlich gelesenen Personen im Kurs gefragt, ob sie einen schweren Teil der Tischfräse heben können und uns verweigert es überhaupt zu versuchen. Wir, zwei weiblich gelesene Personen, sollten daneben stehen und durften nicht mithelfen anzuheben.

Während der Nutzung von Maschinen im Maschinenkurs ist uns aufgefallen, dass wir, als weiblich gelesene Personen, auffällig oft unterbrochen wurden, im Gegensatz zu den männlich gelesenen Personen da scheinbar eher davon ausgegangen wird, dass sie wirklich wissen was sie tun und weiblich gelesene Personen eher nicht wissen was sie tun.

Wir waren sehr erschrocken, dass uns so viele Dinge in nur neun Monaten Ausbildungszeit widerfahren sind und hoffen, dass ihr zur Sichtbarkeit von unseren Erfahrungen beitragen könnt. DANKE!

Ein Lichtblick: Es gibt Tischlereien mit Menschen denen diese Verhaltensweisen auch so sehr auf die Nerven gehen und deswegen bewusst auf Gleichheit der Geschlechter achten. Davon wollen wir mehr!

Wir fordern außerdem mehr FLINTA* Personen im Handwerk, mehr starke Stimmen, mehr SICHTBARKEIT und Aufklärung während den Ausbildungen über Sexismus.