…Man wird einfach kaputt gemacht, körperlich und mental…

Seit ich 14 bin versuchte ich Malerin und Lackiererin zu werden, das hat nie geklappt. Ich hatte es viele Jahre mit 16, 17, 18 usw. immer wieder probiert. Gründe für das Ablehnen, wenn sie es gesagt haben, waren oft meine bunten Haare. Später dann die Piercings.

Mir wurde regelhaft gesagt, die Kundschaft würde abspringen wenn ich dort ankomme oder man könne mich nicht auf die Kundschaft loslassen.

Ich wäre außerdem zu klein und zu schmächtig wurde auch häufig gesagt.

In der Ausbildung durch den Internationalen Bund bekam ich Praktikas in verschiedenen Betrieben. In einem Praktikum fragte Einer wie das ist mit den ganzen Piercings beim Oralverkehr. Da war ich 18 Jahre alt und er ein alter Sack. Natürlich habe ich das gemeldet und es hieß ich muss da nicht wieder hin. Später fand ich heraus, dass eine andere Frau nach mir dort hin geschickt wurde.

In einem Malerbetrieb musste ich sehr anstrengende Arbeiten machen, teilweise ohne Arbeitsschutz. Zum Beispiel musste ich einen Mast streichen gleichzeitig mit einem Kollegen, der den Mast in der Höhe strich. Dabei fiel diese dickflüssige, chemische Farbe mir auf den Kopf, in die Haare und so. Ich durfte nicht abwarten und nicht tauschen. Ich sollte weiter unter ihm arbeiten und mich bekleckern lassen. Ein anderes Mal musste ich an den Bahngleisen Steine aus dem Gleisbett auf einen Haufen am Rand schippen, das war gar nicht zulässig. Das erfuhr ich durch zwei Arbeiter der Bahn, die mich sahen und fragten was ich da mache. Die holten dann eine entsprechende Maschine und erledigten das für mich dann mit dieser Maschine. Durch diese Arbeit bekam ich eine schwere Entzündung im Handgelenk. Einige Zeit war nicht klar ob ich im Handwerk bleiben kann.

In einem anderen Malerbetrieb, wo ich es endlich geschafft hatte reinzukommen, gab es einen Chef mit einem Vaterkomplex oder so etwas mir gegenüber. Am Anfang fand ich das irgendwie noch nett aber schon auch komisch. Vor allem aber weil derselbe Typ mir auf der Arbeit Pornos zeigte. Es entstand durch dieses merkwürdige Verhalten und unangebrachte Ansprüche an mich ein ungesundes und angespanntes Arbeitsverhältnis.

Nach einer sehr langen, wieder arbeitsbedingten Krankheitsphase musste ich richtig heftigen Psychoterror aushalten. Ich wollte nicht mehr in dem Betrieb bleiben und wechseln. Eine Sache die er sagte klingt mir jetzt noch nach: „Vor was hat sie denn Angst? Ich schlag sie doch nicht.“

Trotzdem hatte ich noch mega Bock auf den Beruf, die Arbeit an sich war ok und ich hatte ein 1er Berufsschulzeugnis. Der Chef weigerte sich vehement einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, auch nach mehrmaligen Aufforderungen unter Anderem durch die HWK. Es kam nichts und Konsequenzen für den Betrieb gab es keine.

Ich kam nicht aus dem Vertrag raus, die einzige Möglichkeit war wegen Berufsaufgabe zu kündigen. Für mich bedeutete das, dass ich nicht als Malerin weiter arbeiten durfte. Deshalb musste ich mir einen anderen Beruf suchen und wieder von vorne anfangen.

Das Arbeitszeugnis, das er mir ausstellte war richtig scheiße. Das es ungültig ist, auch weil es nicht stimmte und er so ein schlechtes Arbeitszeugnis nicht ausstellen darf schien ihm egal zu sein. Ich musste mit einem Anwalt dagegen angehen.

Es ist auch egal, denn im Handwerk ist es gang und gebe, dass Chefs beim alten Betrieb anrufen und da können die sonst was erzählen. Am Ende kann nicht nachgewiesen werden wie übel sie dir mitspielen und wie viele Steine sie dir absichtlich in den Weg legen. Selbst wenn du es nachweisen kannst, nützt es dir nichts, denn wer glaubt dir schon und wer hilft dir nachhaltig?

Mit ca. 22 Jahren musste ich also den Bereich wechseln und wechselte von der Malerinnenausbildung auf eine Fachschule für Tischlerinnen. Hier störte mein Aussehen angeblich nicht, aber die Piercings waren oft ein Grund für Absagen wegen vermeintlicher Sicherheitsprobleme.

Bei einem Vorstellungsgespräch wurde mir nur auf die Brüste geschaut. Das war richtig eklig. Das Merkwürdigste war die Absage, denn diese kam handgeschrieben auf Briefpapier.

Um die Ausbildung zur Tischlerin zu machen musste ich allerdings noch einen Ausbildungsbetrieb finden, sonst hätte ich nicht weiter machen können. Ich fand leider keinen Ausbildungsbetrieb und wechselte gezwungenermaßen wieder das Gewerk. Es war die einzige Möglichkeit dran zu bleiben, denn ich hatte durch Vitamin B eine Zimmerei gefunden, die sich bereit erklärten mich auszubilden.

Die waren alle richtig nett, aber immer besoffen. Ein Azubi in der Firma wurde auch angestiftet mit zu trinken. Ich selbst habe während der Arbeit nicht getrunken.

Da sind Sachen passiert wie, ich wurde im Berufsschulunterricht von Kollegen angerufen, die mega dicht waren. Ein Praktikant ist mal besoffen, wie alle Anderen auch, vom Gerüst aus dem zweiten Stock gefallen. Glücklicherweise ist ihm nichts passiert.

An einem anderen Tag ist Einer nicht zur Arbeit gekommen, der wurde dann auf Drängen vom Chef zuhause abgeholt. Der hatte die ganze Nacht durchgemacht. Ich wollte extra nicht dabei sein und hab trotzdem irgendwie mit bekommen, dass er dann noch irgendwas genommen hat (nicht Alkohol) und dann sind wir zur Baustelle gefahren. Dort angekommen wollten ein Kollege und ich wegen dem Wetter nicht aufs Dach. Es war nass und rutschig. Die Kundin wollte auch nicht, dass wir aufs Dach gehen. Der abgeholte Kollege hat die Kundin aber so belabert und auf eine Weise, dass sie sich beim Chef beschwert hat. Einzige Konsequenz war, dass er nach Hause geschickt wurde.

Es wurde mir von Einigen oft gesagt und vermittelt, dass ich als Frau den Beruf nicht kann und ich nicht gut genug bin. Andere haben gesagt, ich kann das und ich muss es können wenn ich den Job machen will.

Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Selbstbewusstsein schon so sehr gelitten, dass es schwierig war es dort auszuhalten. Ständig musste ich beweisen: Ich kann was. Ich bin wer. Auch in der Berufsschule. […]

Ich entschied mich zu wechseln und bin in eine Großstadt gezogen. Ich schrieb viele Bewerbungen und machte in meinem Urlaub Vorstellungsgespräche und Praktika.

Wieder fand ich nur über Ecken mit Vitamin B einen Betrieb.

Im vorherigen Betrieb durfte ich nicht so viel machen, oder es wurde mir „weggenommen“. Da die aber eh immer besoffen waren konnten die nicht gut ausbilden. Dem anderen Azubi wurden die Aufträge gegeben und mir nicht. Einmal stand ich heulend vor einem Kollegen weil wieder der Azubi im Lehrjahr unter mir die Aufträge bekommen hatte. Manchmal bekamen sogar die Praktikanten eigenständige Aufträge. Irgendwann hatte ich keine Kraft und Lust mehr mich dagegen zu wehren.

Das bekam ich in dem neuen Betrieb zu spüren. Ich dachte, dass ich das noch einholen kann. Die Erwartungen an mich waren hoch und ich wurde ständig an meiner neuen Arbeitskollegin gemessen und mit ihr verglichen.

Vorher hatte ich so Deppen in der Schule und bin zum Heulen aufs Klo gegangen, weil ich das nicht zeigen dufte. Das wäre direkt als Schwäche interpretiert worden.

Auch in diesem Betrieb habe ich es mir nicht zugestanden auch nur das Gesicht zu verziehen. Es sind so viele Sachen passiert, wo ich keinen Mucks von mir gegeben habe. Ich war ja eh schon die, die „nicht arbeiten konnte“ und ich wollte nicht noch die sein, die bei jeder „Kleinigkeit“ anfängt zu heulen.

Auf einer Baustelle bin ich raus zum Auto gegangen und war dort am Auto beschäftigt. Es war Sommer, ich hatte ein Top ohne Ausschnitt an. Eine große Oberweite fällt trotzdem immer auf.

Ein alter weißer Sack kam vorbei, sah mich und drehte sich zu mir um. Er erzählte mir eine Story, dass er eine Jugendliebe hat oder hatte. Zu mir wolle er sagen was er ihr auch immer sagte: „Einen wunderschönen großen Busen möchte ich innerlich um schmusen.“ oder so ähnlich.

Das hat mich richtig gegruselt und es wurde mir übel, wie so oft habe ich verhalten gelächelt und wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Ein Kollege, der das gesehen hatte, kam rüber und fragte was da los war. Das war der, der mir wohl gesinnt war. Er guckte ob der alte Typ sich noch in der Nähe aufhielt, aber der war schon weg.

Wegen einem Kollegen war ich in die Firma gekommen. Er verließ diese Firma und von da ging es bergab. Meine Schulnoten waren nach wie vor mega gut. Nur in der Praxis konnte ich den Erwartungen nicht entsprechen.

Der Meister war ein cholerischer Proll und hat einem das Leben schwer gemacht. Es gab Vorfälle wo Sachen schief gegangen sind, die zu Sachschäden geführt haben. Mal wegen meinem fehlenden Selbstbewusstsein, aber auch weil massiv Druck ausgeübt wurde.

Auf einer Baustelle bauten wir das Dach ab und holten die Ziegel runter. Ich kannte die Arbeit, der Meister wollte das der Kollegin zeigen und hat angefangen das Dach abzurupfen, besser kann man es nicht nennen. Dabei schmiss er einen faustgroßen Speis (ein Klotz Zement/Mörtel) vom Dach, mir ins Gesicht. Er schaute sich dabei um und hat es gesehen, aber nichts gesagt und einfach weiter gemacht. Ich hab auch nichts gesagt.

Als wir dann OSB-Platten, 2,5 Meter x 1,25 Meter, hoch schleppten ist er an mir vorbei gelaufen und hat mich hämisch ausgelacht. Gleichzeitig hat er mir zu verstehen gegeben, dass ich das machen muss. Ich habe versucht mich zu wehren und gesagt, dass ich das scheiße finde. Er sagte wenn ich allein auf der Baustelle bin muss ich so was hinkriegen können. Er hat sich ergötzt daran wie ich als kleine Person damit mehr Schwierigkeiten hatte.

Als klar war das ich den Stoff nicht mehr aufholen kann, habe ich nur noch Scheißjobs gekriegt. Das hieß dann Dämmung stopfen. Wenn ich Glück hatte war ich mit Kollegen unterwegs, die mich gefordert haben. Die eine Kollegin und ich waren im selben Lehrjahr, aber sie war sehr viel weiter als ich. Sie hat irgendwann selbstständig Aufgaben bekommen, eigene Baustellen und ich durfte Dämmung stopfen und Scheiße schaufeln. Sie wurde gepuscht, ich wurde mit Füßen getreten.

Mein Selbstwert war im Keller, ich hab nur noch versucht den Tag zu überstehen. Nur noch Überlebenskampf.

Die Kollegin

Sie war mit den Themen „stark sein“ und „nichts sagen“ noch viel krasser als ich und hat sich ihren Platz und ihre Stellung hart erkämpft.

Zwei Geschichten, die ich über sie gehört habe, sind besonders heftig.

Sie war auf einer Baustelle und musste Sachen hin und her schleppen und wurde dabei beobachtet von einem Typen aus einem anderen Gewerk. Die Stelle wo er stand lag etwas versteckt, sodass er von außen nicht gesehen werden konnte und er hat dann offen angefangen sich einen runter zu holen. Sie hat nichts gesagt, nicht zu ihren Kollegen vor Ort und auch nicht zu dem Typen.

Bei einer Weihnachtsfeier war ich aus Höflichkeit da. Der Meister, Kollegen und die Kollegin sind anschließend noch saufen gegangen. Weil ich nicht trinke bin ich nicht mitgegangen. Laut den Erzählungen kam es zu einer Schlägerei zwischen zwei Typen. Es hatte wohl angefangen weil ein Fremder ihr mittellos eine Faust ins Gesicht gegeben hatte. Sie und auch andere waren noch länger unterwegs an dem Abend. Am nächsten Tag fuhr sie zu einer Familienangehörigen, die in der Medizin arbeitet, und hat sich den Kiefer wieder einrenken lassen.

Keine Ahnung ob sie sich weiteren Personen anvertraut hat. Das jedenfalls zum Thema „stark sein“ und „nichts sagen“ bzw. „sich nichts anmerken lassen“.

Dixiklos auf Baustellen

Manchmal gibt es keins, dann muss man sich eine Ecke suchen. Oder die sind so voll, dass ein Benutzen nicht mehr möglich ist. Auf der Luxus-Baustelle bei den reichen Leuten gab es nur einen Pisseimer. Der Meister sagte zu mir, dass ich nicht so viel Wasser trinken soll (es war mitten im Sommer), denn dann müsste ich ja immer nach unten rennen aufs Dixi-Klo.

Menstruation tabu

Als wir, die Kollegin und ich, nach der Arbeit im Auto saßen, fiel während der Fahrt ein Karton um und ein alter, benutzter Tampon kullerte raus. Sie hatte sich nicht getraut ihren Tampon ins Dixi zu werfen. Ich fand das total scheiße, weil ich wegen meiner Stellung davon ausging das es mir angedichtet worden wäre wenn ein Kollege das gefunden hätte. Aber auch weil sie wie ich dieses Problem hatte und keine andere Lösung sah als so damit umzugehen.

Dann haben wir darüber geredet und für mich und auch sie war es echt ein Problem wenn wir menstruierend auf Baustellen arbeiten mussten. Die Tabuisierung ist ein großes Problem.

Keine getrennten Toiletten wären noch überwindbar wenn sie abschließbar sind. Aber eigentlich fehlt grundsätzlich immer die Möglichkeit sich die Hände ordentlich zu waschen. Es fehlen auch immer Mülleimer, genug sauberes Toilettenpapier und Papier um sich die Hände zu trocknen.

Kündigung

Wir waren auf einer Baustelle in einer noblen Gegend mit vielen Neureichen und haben dort eine Terrasse gebaut. Eine Bemerkung vom Chef zum Kollegen, die ich mitbekommen sollte: „Die kann ja doch arbeiten!“ Es war kurz vor Ausbildungsende, es gab keinerlei Gespräche wegen einer Übernahme oder so. Mitten auf der Baustelle, während ich arbeitete, setzte sich der Chef hin, guckte mir beim Arbeiten zu und sagte vor versammelter Mannschaft, dass ich nicht übernommen werde, denn ich sei nicht wirtschaftlich genug. Ich hab nur geknickt und weiter gearbeitet. Später bei dem einzigen Arbeitskollegen, den ich noch vertraute, bin ich im Auto zusammengebrochen.

Dann nach Abschluss der Ausbildung hab ich noch gehört, dass er über mich gesagt hat: „Ist nicht so schlimm, die hat ja reiche Eltern.“ Damit wollte er meine Kündigung bzw. das „nicht übernommen werden“ legitimieren. Abgesehen davon, dass ich leider keine reichen Eltern habe, war ich einfach nur froh da nicht mehr sein zu müssen.

Man wird einfach kaputt gemacht, körperlich und mental, und später werden einem Steine in den Weg gelegt. Wieder bin ich in der Situation, dass ich schlecht wegkomme wenn sich in dem Betrieb ein neuer Betrieb über mich telefonisch informiert. Wenn die meinen alten Chef dran haben der sagt, dass ich nicht wirtschaftlich genug bin, dann hab ich doch keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Die Umstände werden einfach nicht berücksichtigt.

Jetzt nach vielen Jahren im Handwerk bin ich seit langem arbeitsbedingt Arbeitsunfähig, dieses Mal aber nicht aus physikalischen, körperlichen Gründen. Ich würde eigentlich gerne im Handwerk arbeiten, aber keine Ahnung ob ich die Kraft aufbringe mich diesem toxischen Umfeld wieder auszusetzen. Vielleicht mal in einem Kollektiv oder so? Ich weiß es nicht.

Um diesen Text zu verfassen traf ich mich mit einer Person aus dem Azubihilfe Netzwerk. Zu dem Aufruf und zu diesem Treffen möchte ich noch sagen:

Es ist das erste Mal, dass sich jemand interessiert für diese Geschichten, für meine Geschichte und was mir passiert ist.

Es begegnet einem so oft, dass Leute sagen „Stell dich nicht so an. / So schlimm kann es nicht sein.“ oder das Interesse verlieren.

Es tut einfach richtig gut gehört zu werden, dass ich das alles erzählen kann und mein Gegenüber weiß wovon ich spreche.