…Jeder noch so kleine Fehler wird gleich auf das Geschlecht o.ä. bezogen…

Nach Abitur —> 1 Jahr FSJ, dann Ausbildung zu Maler-Lackierer*In.

Erste Probleme schon bei der Bewerbung… man wird gar nicht erst für eine Ausbildung/ als Bewerber*In in Betracht gezogen. Bekommt Fragen, wie: Was will eine Frau denn im Handwerk bzw. was ich denn danach wirklich machen möchte. Warum man als Frau ins Handwerk wollen sollte ist vielen immer noch ein Rätsel… Ich wurde auf den Plan, den Meister zu machen auch gefragt, wie das denn mit meiner Zukunfts-& Familienplanug zusammen passt. Und ob sich denn mein zukünftiger Partner nicht davon eingeschüchtert sehen könnte…

Meine, nun etwas mehr als 4 Jahre, Handwerk habe ich in zwei verschiedenen Firmen verbracht, welche verhältnismäßig progressiv sind und in denen vergleichsweise viele Frauen arbeiten. Darüber bin ich zwar echt glücklich, aber auch hier kommt man immer wieder in unangenehme Situationen.

Ich persönliche habe das Gefühl, dass das Handwerk nicht weniger Sexistisch/Homophob etc. geworden ist, sondern das die Diskriminierung unterschwelliger stattfindet.

Situation 1: Irgendwann in meinem ersten Lehrjahr hatten wir auf einer Baustelle einen Elektriker (+/- 50 Jahre) der wirklich sehr an meiner zukünftigen Familienplanung interessiert war… Nicht unbedingt das erste Gesprächsthema, mit einer fremden Person, welches mir in den Kopf kommen würde. Alles fing ganz harmlos an. Smalltalk, wenn man sich über den Weg gelaufen ist. Irgendwann fragte er mich dann wie alt ich denn wäre (ich glaube, ich war da noch 19), ob ich denn schon einen Freund hätte (Nein) und dann total unerwartet, ob ich denn schon Kinder hätte. Ich wusste damals noch nicht so ganz, wie ich darauf reagieren sollte, also nur Funkstille von meiner Seite aus und ein absoluter WTF-Blick.

Ab dann wurden Fragen zu mir und meinem Kinderwunsch zur absoluten Regelmäßigkeit. Als ich ihm dann sagte, dass ihn das absolut Nichts angeht fand er es nur lustig. Irgendwann wurde es mir dann zu bunt, meine Gegenfrage „Wieso, bietest du dich als Vater an?“ kam nicht gut an. ICH wäre unhöflich, weil ICH eine unangenehme Situation geschaffen hätte. Ach echt, die Frage ist unangenehm? Na dann hör auf sie zu stellen. Mein mich ausbildender Geselle hat dann wohl mal ein ernstes Wort geredet, dann hat die Fragerei gestoppt.

Das ist im Endeffekt das frustrierendste an der Situation. Nicht weil ich es unangenehm fand, hat er aufgehört. Nicht weil ich ihm gesagt habe, dass er aufhören soll. Nur weil ein anderer Mann mit ihm geredet hat.

Naja… an dem letzten Tag hat er sich noch verabschiedet und mir gesagt, dass er unsere Gespräche vermissen wird. Meine Antwort „Ich nicht und ich hoffe, dass ich dich nie wieder sehen muss.“ fand er dann gar nicht lustig. Seine Beschwerde bei meinem Gesellen, dass ich eine „ganz schön unhöfliche Azubine“ bin, fiel bei diesem nur auf taube Ohren, ich dürfe zu ihm so unhöflich sein, wie ich nur wolle. Danke 🙂

Situation 2: Ich (mittlerweile 3. Lehrjahr), meine Mitschülerin und eine aus dem 1. Lehrjahr stehen zusammen auf einer Rüstung. Während wir Arbeiten kommen in den Raum 2 Stahlbauer. Der !Meister! von unten nur so „Hat euch denn keiner gesagt, dass Frauen auf Rüstungen eigentlich Röcke zu tragen haben?“ Sein neben ihm stehender Kollege hatte wenigstens den Anstand zu zeigen, wie peinlich er das fand, gesagt hat er aber Nichts.

Emotional Drainig: Viel anstrengender als bestimmte Situationen finde ich, dass es als Frau bzw. FLINTA im Handwerk nie reicht, nur gut zu sein… Ich habe schnell gelernt, wie sehr man besser als gut sein muss, um auch nur ansatzweise ernst genommen zu werden und selbst (oder vor allem?) dann kommt immer gleich der Vorwurf, man habe ,sich hochgeschlafen‘.

Jeder noch so kleine Fehler wird gleich auf das Geschlecht o.ä. bezogen. Alles, was du nicht (so gut) kannst, eben nur nicht weil du eine Frau* bist… Auf Dauer empfinde ich das als echt ermüdend…