…ein Machtverhältnis was erlaubt Witze unterhalb der Gürtellinie zu machen…

Ich bin Goldschmiedemeisterin, eine Frau, geboren als Frau, sozialisiert als Frau (mit all ihren Höhen und Tiefen, dennoch ist mir mein Geschlecht eher unwichtig, lege nicht viel Wert darauf, aber ab und zu schminke ich mich gern und ziehe Röcke an, so auch in der  Meisterklasse). In meinem Gewerk habe ich eigentlich weniger Probleme mit Sexismus, da das Gewerk mittlerweile zu 80% von Frauen ausgeführt wird. Sicherlich habe ich auf vielen anderen Ebenen und in anderen Gewerken Probleme gehabt, weil ich eine Frau bin, doch darum geht es  hier jetzt nicht.


Meinen Meistertitel habe ich in Vollzeit erworben, Teil 3 (wirtschaftlicher Teil) und Teil 4 (pädagogischer) habe ich  gewerkübergreifend in [Norddeutschland] in der HWK absolviert, von 30 Teilnehmern war ich die einzige Frau. Meine Mitschüler waren okay,… ich habe seitens der Mitschüler mit Sexismus und Rassismus gerechnet. Doch es hielt sich in Grenzen, das Schlimmste waren die Dozenten. Es verging kein Tag an dem kein sexistischer Witz seitens der Dozenten gefallen ist, das Schlimmste daran war, dass ich immer direkt angesprochen wurde oder mit einbezogen wurde. Ich habe verschiedene Strategien versucht.
Am Ende habe ich alles protokolliert und an die Geschäftsstelle weitergeleitet, eine Meldung an die Antidiskriminierungsstelle in [zwei Städten in Norddeutschland]. Es gab ein Treffen mit der Integrationsbeauftragten der HWK (die für Geflüchtete zuständig war und auch nicht so recht wusste warum Sie mit mir reden soll). Von verschiedenen Seiten wurde mir in der HWK gesagt, es seien die besten Dozenten die sie haben… Ja ein Machtverhältnis was erlaubt Witze unterhalb der Gürtellinie zu machen. Im Anhang findet ihr das Protokoll.


Eine andere Mitschülerin aus dem Teil 1 und 2 (fachspezifisch) welches [im Westen Deutschlands] stattfand, erzählte mir dass sie ähnliche Probleme/Erfahrungen gemacht hatte. Sie meinte hauptsächlich wäre es rassistisch gewesen. Doch eben auch seitens der Dozenten!
Das Schlimme daran finde ich, dass die Dozenten uns Führungsstil, Führungsqualität, usw. unterrichtet haben. Und so frage ich mich, wie soll sich im Handwerk etwas ändern, wenn uns beigebracht wird, dass  Diskriminierung voll okay ist und sogar zum Führungsstil dazu gehört.

Dokumentation sexistischer Witze und abwertender Bemerkungen im Unterricht seitens der Dozenten

Geprüfte/r Fachmann/Fachfrau für kaufmännische Betriebsführung (HWO) 31.8.-30.10.2020

[Dozent 1]:
In seiner Begrüßung und Vorstellung zu seiner Person zieht er über seine Frau und seine Töchter her, in einer sehr abwertenden Art und Weise. Er hört nicht auf und ich unterbreche ihn indem ich sage, dass er sich doch scheiden lassen kann. Er sagt: „Ja das mach ich auch.“ Und im gleichen Zuge, fragt er, ob er mir was getan habe? (mit einem sehr aggressiven Ton).
Ich meide seinen Unterricht.

[Dozent 2]:
Am ersten Tag nach ein paar Stunden und [der Dozent 2] in Hochform:
„Frau [X] Sie werden mich jetzt nicht dafür mögen was ich sage, doch das ist meine Meinung“ und schreib an die Tafel: „Es gibt drei Feinde: 1F: Das Finanzamt, 2F: Die Banken, 3F: Die Ehefrau“ … wir diskutieren ich sage ihm es könnte ja auch der pflegebedürftige Vater sein. Er sagt: Jaja weil die anderen beiden Schwestern nicht aufkommen, die eine will kein Geld verdienen und die andere hat nur Pferde im Kopf. Später überlegt er laut und geht an die Tafel und wischt das F weg und sagt: „Ich könnte es auch anders nennen, aber …. nein ich glaube das so!“ und schreibt das F wieder hin.
 
Ein späteres Beispiel (gleicher Tag) um uns zu verdeutlichen wie ein Unternehmen definiert ist.
Er beginnt wieder auf mich gerichtet: „Wir Männer funktionieren über Sex“ und beginnt „ Stellen sie (zu einem Mitschüler neben mir gerichtet) sich vor im Bett mit ihrer Freundin läuft es nicht mehr so und wollen Sexspiele machen und spielen, dass ihre Freundin eine Prostituierte ist und geben ihr nach dem Sex Geld. Nun denkt sich ihre Freundin, ach damit kann ich ja ganz gut verdienen und geht zu ihrem Vater, Bruder, Freunden. Dann ist sie Unternehmerin und steuerpflichtig.“
 
[Dozent 3], der sich sonst überhaupt nicht abwertend äußert, hat dann doch diesen Spruch gebracht:
„Sexismus und Rassismus (es ging ums Leitbild) haben in einem Betrieb nichts zu suchen. … (nach einer Pause) … Ja ich weiß auch dass es manchmal witzig sein kann, doch dann bitte nicht vor Kunden.“


„Ich sag ja immer: Frauen, zu erst nehmen sie uns aus und dann erben sie alles“ an diesen so kreativen Autor erinnere ich mich nicht mehr.

16.9.2020

[Dozent 4]: In der Pause ging es um [Dozent 2], wir hatten erst einmal Unterricht bei ihm. Es wurde viel positives gesagt. Ich sagte, dass ich ihn sexistisch finde. [Dozent 4] überlegt kurz und stimmt zu, fragt mich: „Er hat das Beispiel mit den drei Fs gebracht? Ach nehmen Sie es nicht persönlich, er hat Sie doch vorher gewarnt und es angekündigt.“ Ein Mitschüler sagt, dass er Sexismus gut findet, das sei doch lustig. (So ähnliche Resonanzen habe ich in anderen Situationen auch schon erlebt.) [Dozent 4] geht nicht darauf ein und sagt zu mir: „Seien Sie froh, dass Sie ihn haben! Er bringt alle durch die Prüfung, er ist ein guter Dozent.“

Diese Situation hat mir gezeigt, dass Sexismus an der Schule bekannt ist und toleriert wird.

18.9.2020

[Dozent 4], es geht um Verträge, Mietverträge, alle haben sie die Miete für eine Wohnung im Kopf, er sagt, es können auch Mietverträge für Werkzeuge, Autos, etc. sein… Alle schreiben und er nuschelt weggewannt von der Klasse … die Ehefrau…

1.10.2020

Es ging um die Schrift von [Dozent 4] (die sehr klein und selbst in der ersten Reihe unleserlich ist). Einige haben ihn mit Witz und Humor darauf hingewiesen. Er ging da mit Witz und Humor gut um. Nach einer Pause sagte er: „Schlechte Schrift zeugt von starkem Charakter. Weswegen haben also Frauen so eine gute Schrift?“ Ich reagiere nicht, doch er schaut mich an und sagt, dass er hoffe ich könne ihm verzeihen für den Spruch. Nö sagte ich.
 
14.10.2020

In der Pause unterhält [Dozent 4] sich mit anderen Teilnehmern und sagt zu mir, aus der anderen Ecke der Klasse: “Frau [X] müsste mittlerweile ja schon ein wenig abgehärtet sein was Sprüche angeht.“ (Ich weiß nicht worüber vorher geredet wurde, doch es war klar, dass es um blöde Sprüche bezüglich meines Geschlechts geht). Ich sage ihm, dass es mich langweilt und ich es nicht angemessen finde, dass dies kein Ort ist für solche Witze/Bemerkungen. Er könne es privat zu Hause machen, doch hier sind wir in einem Bildungsinstitut und dass er das eigentlich wissen sollte. Er sagt, er könne das, es gäbe die Meinungsfreiheit und er könne hier im Unterricht verkünden, was er denkt und wenn er denken würde, dass Frauen blöd sind, könne er das tun, solange er Niemanden persönlich meint. Er fängt an über die weiblichen Endungen in Gesetzestexten her zuziehen (das hat er schon öfters gemacht). Ich sage ihm, dass es ja nicht darum geht und frage ihn ob er wüsste, das jede 4. Frau in Deutschland vergewaltigt wird und ob ihm klar ist, wen er bestärkt und schwächt mit solchen Witzen. Es ist ihm klar. Und ich teil ihm mit, dass ich das besonders erschreckend finde, das er mit dem Bewusstsein dennoch solche Witze macht.
Er sagt. „Mal ganz im Ernst! Was können Sie denn tun? Sie können doch eh nichts machen, es würde nichts bringen und nichts verändern. So ist das nun mal.
Er berichtet, dass ihn einmal eine Teilnehmerin beiseite genommen und ihm sagte, dass das jetzt zu weit ging und er fragte sie, wie er sich dafür entschuldigen könne. Er habe sie dann zum Essen eingeladen. Das fand er dann ganz gut.
Er sei ja noch einer der harmlosen Dozenten, da gäbe es noch viel Schlimmere als ihn. Ich müsse mich damit abfinden, dass es so ist. Ich könne nichts daran ändern, klärt mich [Dozent 4] auf.

28.10.2020

[Dozent 2]
Er brachte ein Beispiel, von mir weg gewannt, zu allen anderen Teilnehmern in der Klasse. Ich hörte kaum zu. Es ging um Töchter die immer nur Geld wollen und bei ihren Vätern um Geld betteln. Er wandte sich am Ende des Beispiels zu mir und fragte: „Stimmts nicht Frau …?“